Der Wettbewerb Rüdesheimer Platz
Grundstücke zu erwerben, zu parzellieren, zu bebauen und zu verkaufen und auch gleich Kredite zu gewähren war das Geschäft des Unternehmers Haberland und der Berlinischen Boden-Gesellschaft, die den Ausbau des Rheingau-Viertels sowie die Anlage der U-Bahn nach Dahlem betreiben wollte.
So begann vor genau 1911 die Bebauung des Rheingau-Viertels, das städtebaulich und architektonisch wohl bedeutendste Projekt Haberlands und der wichtigste Beitrag zum Berliner Städtebau vor dem 1. Weltkrieg.
Nach Vertrag hatte die Terraingesellschaft Berlin-Südwesten Haberlands die Plätze zu entwerfen und nach Genehmigung durch die gemeinde auszuführen.
Die Gesellschaft schrieb deshalb 1911 einen öffentlichen Wettbewerb für den Rüdesheimer Platz mit hohen Geldpreisen aus.
Der Platz sollte "in der Steinwüste eine erfrischende, still-freundliche Oase" bilden.
Verlangt wurde eine "gartenkünstlerische Ausgestaltung mit Bildwerken, Architekturanlagen, Wasserkünsten" und es wurde "eine Anlehnung an Rheinische Sagen" anheimgestellt.
Walter Lehweß schrieb in der Berliner Architekturwelt 1912 zu den Beiträgen:
„Im Übrigen ist der Wert der eingegangenen Arbeiten sehr verschieden; von unglaublich kindlichen, ungeschickten Versuchen mit fürchterlichen, plastischen Darstellungen, die meistenteils wegen des Namens Rüdesheimer Platz an Rheinsagen anknüpfen, über langweilige Durchschnittsleistungen zu reifen und poetischen Arbeiten.“
Über 350 Entwürfe war zu entscheiden, u. a. mit so fantasievollen Namen wie Karfreitagszauber, Sonate Pathétique, Willkommen, Klar und Vornehm, Loreley:
Kennwort: Karfreitagszauber
Verfasser: Harry Maas, künstl. Mitarbeiter der Werkstätten von Schneckenberg & Siebold, Hamburg
Kennwort: Sonate Pathétique
Verfasser: Architekten H. von Hoven und Franz Heberer, Frankfurt a. M.
Kennwort: Willkommen
Verfasser: Bromme, Stadtgartendirektor Erfurt, Taut & Hoffmann, Architekten
Kennwort unbekannt
Verfasser: Paul Jatzow, Berlin
Als Sieger ging der Entwurf „Rüdesheimer Berg“ des Gartenarchitekten Heinrich Berg und des Architekten von Hofen hervor.
Eine große, ruhige Rasenfläche im Zentrum ist seitlich begrenzt von schmalen Bäumen, im Osten von einem Spielplatz und im Westen von einer erhöhten Terrasse mit einer Brunnenskulptur.
Der Entwurf wurde überarbeitet und alsbald, noch 1911, ausgeführt. Beibehalten wurde die vorgesehene und bis heute erhaltene Dreigliederung des Platzes. Der Bildhauer Emil Cauer krönte den Brunnen mit einer Siegfriedfigur, zu der die „Deutsche Illustrierte“ schrieb:
„Durch die hochherzige Stiftung des Kommerzienrats Haberland hat der Rüdesheimer Platz jetzt einen Schmuck erhalten, dessen Schöpfer der Bildhauer Emil Cauer ist. Auf prachtvoller architektonischer Anlage des Brunnens, der durch sein breites Wasserbecken Frische und Kühle verbreitet, erhebt sich in der Mitte die Reckengestalt Siegfrieds, der den Speer trägt mit der rechten Hand, das sich wild aufbäumende Pferd bändigt, eine Auffassung, die von der traditionellen Darstellung des „hürnen Siegfried“ abweicht aber prächtig die sagenhafte Kraft des deutschen Recken zum Ausdruck bringt.“
Text aus: Berlin und seine Bauten, 1913